Moderner Arbeitsplatz

Der Digitalisierungswettlauf im Einzelhandel

Jarek Matschey, Director Retail, VMware EMEA

Der Einzelhandel befand sich bereits vor der Pandemie im Umbruch. Die gesamte Palette der Einzelhändler, von agilen und „digital native“ Start-ups bis hin zu monolithischen Traditionshäusern in den großen Einkaufsstraßen, wurde im Laufe der Jahre mit einem Wandel der Einkaufsgewohnheiten und Verbrauchererwartungen, der zunehmenden Verbreitung von Omnichannel-Angeboten und vielen anderen technologischen oder sozioökonomischen Änderungen konfrontiert.

Durch die Pandemie stand die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda und einige große Namen blieben auf der Strecke – Woolworths, HMV, Toys ‘R’ Us im Vereinigten Königreich, die Nobelkaufhauskette Printemps in Frankreich und der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland schließen zurzeit zahlreiche Filialen. Durch COVID-19 entwickelte sich der Digitalisierungswettlauf über Nacht von einem Marathonlauf zu einem Kurzstreckenwettbewerb.

Keine Chance für Spätzünder

In den letzten 12 Monaten hat sich die Kluft zwischen Einzelhändlern mit und ohne funktionierende Digitalisierung vergrößert. Laut dem NatWest Retail and Leisure Outlook Report 2021 verzeichnete der Einzelhandelssektor im Vereinigten Königreich 2020 in nur 12 Monaten denselben Online-Umsatz wie sonst in fünf Jahren, da immer mehr Verbraucher bedingt durch Ausgangsbeschränkungen und Lockdowns online einkauften. Der Umsatz im eCommerce-Markt in Europa wird laut Statista für 2021 auf 465 Milliarden US-Dollar geschätzt. Dabei sollen 103,9 Milliarden US-Dollar auf das Vereinigte Königreich, 95 Milliarden US-Dollar auf Deutschland und 58,9 Milliarden US-Dollar auf Frankreich entfallen.

Das Fortbestehen nach der Pandemie ist jedoch nur ein Schritt. Trends wie Expresslieferung, Personalisierung, Zustellung zum Wunschtermin per Kurierdienst und massive Fortschritte bei Interaktionen nach dem Kauf werden anhalten.

Diese Trends werden durch eine von VMware beauftragte Umfrage unter 6.000 Verbrauchern in Europa* belegt. Verbraucher fordern mehr digitale Interaktion mit Einzelhändlern und zeigen nur wenig Verständnis für Spätzünder in einer Welt nach der Pandemie. Das Verhältnis zwischen Händlern und Verbrauchern hat sich unwiderruflich verändert. Während Unternehmen mit der Suche nach ihrer digitalen Identität beschäftigt sind, steigen die Erwartungen der Verbraucher und Online-Erfahrungen werden genauestens unter die Lupe genommen.

Die Devise lautet „Digital First“

Im Vereinigten Königreich ist die Insolvenz der Einzelhandelskette Topshop ein trauriges Beispiel für ein Unternehmen, das nicht innovativ genug war. Es wurde jetzt von ASOS übernommen, einem reinen Online-Konzern für Mode und Kosmetika. ASOS folgt damit dem Beispiel anderer Online-Konzerne wie der Boohoo Group, die britische Traditionsmodehäuser aufgekauft hat.

Das Aus für Debenhams trotz schneller Digitalisierung ist besonders schmerzhaft. Die Website des Unternehmens gehörte zwar zu den Top 10 der am meisten besuchten, aber die Insolvenz verdeutlicht, dass Unternehmen, die nicht innovativ genug sind und auch ihr Kerngeschäft digitalisieren, rasch unter Druck geraten. Es ist eine bittere Erkenntnis, dass man Kunden weder gewinnen noch binden kann, wenn man lediglich über Digitalisierung spricht – Unternehmen müssen zuallererst digital denken. Unsere Studie ergab, dass die Hälfte (48%) der Verbraucher im wettbewerbsintensiven Markt nach der Pandemie zur Konkurrenz wechseln, wenn sie mit der digitalen Erfahrung unzufrieden sind. Nur 10% der Verbraucher freuen sich auf die weitere virtuelle Interaktion mit dem Einzelhändler im Unterschied zum Einkauf im Laden. Nachdem der Weg aus dem Lockdown nun klar ist, stellt sich die Frage: Wie soll der Einzelhändler reagieren?

Die Innovationshürde

Unserer Studie zufolge legen Verbraucher bei der Wahl eines Einzelhändlers großen Wert auf bestimmte Datenhygienefaktoren. Dazu gehören ein hohes Sicherheits- und Schutzniveau für Verbraucherdaten (66%), was in Zeiten von DSGVO und der zunehmenden Sensibilisierung gegen Betrug selbstverständlich sein sollte. Weitere wichtige Kriterien sind geräteunabhängige Anwenderfreundlichkeit (44%) und einfache, effektive Anwendungen (41%) – Verbraucher wollen mühelos Ergebnisse erzielen. Die Studie ergab des Weiteren, dass 57% der Verbraucher die Website eines Händlers sofort verlassen würden, wenn ein Problem nicht zeitnah behoben werden kann, sei es mithilfe eines Chatbots oder über einen Mitarbeiter. Das Fazit der Studie ist klar: Die Grundlagen der digitalen Erfahrung müssen stimmen. Erst dann interagiert der Verbraucher mit dem Händler.

Trotz der hohen Erwartungen sehnen sich viele Verbraucher nach mehr erstklassigen digitalen Erfahrungen. Ein hoher Prozentsatz bezeichnet sich selbst als „digital interessiert“. 42% finden die starke Zunahme digitaler Erfahrungen im Alltag keineswegs furchteinflößend, sondern eher spannend. Außerdem zeigen die Daten, dass 46% der Befragten den Service einer bestimmten Marke bevorzugen, weil das digitale Angebot sie überzeugt. Gute Nachrichten also für Einzelhandelsunternehmen, die gerade den nächsten Schritt ihrer Digitalisierungsstrategie planen, anpassen oder umsetzen. In Deutschland beispielsweise macht der Online-Handel bereits ungefähr 15,5% der Umsätze im Einzelhandel aus. Ein weiterer massiver Anstieg wird prognostiziert.

Dieser Trend zeigt deutlich, dass Einzelhändler, die die Innovationshürden überwinden, Erfolg bei Verbrauchern haben werden, die sich nach digitalen Erfahrungen sehnen. Dies schließt auch den Einsatz zukunftsweisender Technologien wie virtuelle Realität (VR) und künstliche Intelligenz (KI) ein. Tatsächlich begrüßt die Hälfte (46%) der Verbraucher den Einsatz virtueller Realität zum Verbessern der Einkaufserfahrung. Damit rückt die Kombination aus Online-Handel und stationärem Handel in den Vordergrund.

Stationärer Handel

Der Online-Handel boomt zwar durch die Pandemie und die Existenz einiger Traditionsgeschäfte der britischen Einkaufsstraßen ist gefährdet. Der anhaltende Erfolg von Pionieren des digitalen Handels wie Moonpig, Notonthehighstreet, Zalando und dem neuen Inhaber von Topshop, ASOS, darf aber dennoch nicht unterschätzt werden. Und es gibt eine Vielzahl wertvoller Erkenntnisse, die Marken und Vermarkter aus den Konzepten dieser Unternehmen gewinnen können, um die neuen Marketing-Herausforderungen zu meistern, denen Einzelhändler 2021 und darüber hinaus gegenüberstehen werden.

Dem Report Revolutionise the Everyday des Centre for Economics and Business Research (CEBR) und von Virgin Media Business zufolge könnten Investitionen in digitale Technologien den Wert des Einzelhandelssektors im Vereinigten Königreich bis 2030 um 11 Milliarden Pfund (+3,6%), bis 2040 sogar um 21 Milliarden Pfund (+6,2%) steigern und dadurch zur Erholung der Branche von den Folgen der Pandemie beitragen. Der Einzelhandelssektor im Vereinigten Königreich hätte 2040 dann einen Wert von 361 Milliarden Pfund anstelle der bisher prognostizierten 340 Milliarden Pfund.

Vielfältige digitale Services

Digitale Kunden sehnen sich nach neuen Online-Services, sind aber von den Angeboten im letzten Jahr keineswegs begeistert. Digitale Konnektivität verbessert die Lebensqualität von Freizeit, Arbeit und Alltag und moderne Verbraucher verlassen sich zunehmend auf die Funktionalität ihrer Technologie und die daraus resultierenden Möglichkeiten. Unternehmen haben dadurch die Chance, die Vielfalt ihrer digitalen Services zu erhöhen – und sich von Mitbewerben abzuheben.

Einzelhändler können sich jetzt als digitale Vorreiter einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen, indem sie Anwendungen entwickeln, die das Interesse von Verbrauchern online oder im Laden wecken und zur Kundengewinnung und -bindung beitragen. Einzelhändlern mit Digitalisierung im Blut stehen alle Optionen offen. Weitere Informationen dazu, wie VMware Ihr Unternehmen auf dem Weg zum digitalen Einzelhandel unterstützen kann, finden Sie hier.

*Für die Studie wurde YouGov mit Online-Umfragen im Vereinigten Königreich sowie in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien beauftragt. Pro Land gab es jeweils mindestens 1.000 Teilnehmer (im Vereinigten Königreich mindestens 2.000).

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