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Flache Hierarchien – was große Konzerne von Start-ups lernen können

Beitrag von Annette Maier

Die Digitalisierung revolutioniert den Arbeitsmarkt: neben flexiblem Arbeiten, orts- bzw. schreibtischunabhängigem Arbeiten und maximaler Freiheit steht auch die klassische Unternehmenshierarchie auf dem Prüfstand. Gerade bei der digitalen Avantgarde und im Start-up-Umfeld gehören ein kooperatives Führungsprinzip, ein zugänglicher Chef mit offener Bürotür und das gegenseitige Duzen zum guten Ton. Doch wollen Mitarbeiter ihrem Chef überhaupt gleichgestellt sein oder gar ganz auf ihn verzichten? Und kann eine flache Hierarchie in einem größeren Konzern funktionieren?

Einen spannenden Artikel zu diesem Thema las ich gerade in der Wirtschaftswoche. Ein Jungunternehmer hatte in seinem Start-up die Führungsebene komplett abgeschafft. Denn das 3-Mann Start-up war innerhalb weniger Jahre auf einen 100-Mann-Betrieb angewachsen. Alle Mitarbeiter sollten gleichgestellt sein und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Und was geschah? Zunächst waren die Mitarbeiter orientierungslos. Sie wussten nicht mehr, ob ihre Entscheidungen richtig waren und das Unternehmen voranbrachten. Daraufhin verließen einige Mitarbeiter die Firma, denn ihnen behagte dieses Zuviel an Freiheit nicht. Die verbleibende Belegschaft forderte Leitplanken. Heute werden zumindest strategische Ziele vorgegeben. Den Weg dorthin überlässt der Chef seinen gleichberechtigten Mitarbeitern. Diese Tendenz spiegelt auch eine aktuelle Umfrage wider. Sie ergab, dass sich 65 Prozent der Befragten einen Vorgesetzten wünschen, der klare Anweisungen gibt. Sie wollen gar nicht auf eine Hierarchie verzichten.

Generation Y fordert flache Hierarchien

Dennoch: Die alten Zeiten starrer und steiler Hierarchien sind vorbei. Hier traf der Chef alle wichtigen Entscheidungen und galt als absolute Autorität. Gerade die jüngere Generation Y möchte einen zugänglichen Chef. Diesen möchte sie nicht nur um Rat bitten, sondern auch herausfordern. Weiterhin ist ihnen eine Unternehmenskultur wichtig, in der der Diskurs gefördert wird. Und in der jeder seine Meinung offen äußern kann – unabhängig von der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit. Jedoch bedeutet dies nicht, dass es keine Hierarchien mehr gibt. Auch wenn man seinen Chef duzt, wie das bei VMware und vielen US-amerikanischen Unternehmen der Fall ist. Zudem fehlen Mitarbeitern in einer hierarchielosen Struktur Karriere- und Aufstiegschancen.

Lernen durch Scheitern

Das Modell des kooperativen und teamorientierten Führens finde ich ausgesprochen spannend. Ein guter Vorgesetzter legt Wert auf die Meinung und die fachliche Kompetenz seiner Mitarbeiter. Schließlich sind die in ihren Fachbereichen Experten und handeln in ihrem Gebiet eigenverantwortlich und selbständig. Vorgesetzte müssen ihren Mitarbeitern dafür mehr Vertrauen entgegenbringen, Aufgaben delegieren und nicht ständig alles nachprüfen. Denn nur so kann man auf höherer Management-Ebene sein immenses Arbeitspensum im Griff halten und ein Stück weit entlasten. Doch es geht noch weiter, denn neue Faktoren spielen eine Rolle. Die Mitarbeiter sollen eigenständig denken und auch Fehler begehen dürfen. In den USA ist diese „Kultur des Scheiterns“ eher verbreitet – denn so lernen Mitarbeiter schneller dazu. Weiterhin müssen Mitarbeiter ermuntert werden, ihre Meinung offen zu äußern – Führungspersönlichkeiten erhalten neue Perspektiven und können so wiederum selbst wachsen.

Von Start-ups lernen

Eine flache Hierarchie bedeutet für mich letztendlich zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren  –  was mir sehr wichtig ist. Denn wer Spaß an dem hat, was er tut und positiv und mit Zuversicht an seine Aufgaben herangeht, hat mehr Erfolg. Diese Sichtweise möchte ich meinem Team als Chefin vermitteln. Als Deutschland-Chefin von VMware habe ich einige Hundert Mitarbeiter unter mir sowie Strukturen auf EMEA und globaler Ebene, mit denen ich mich abstimme. Mit der Organisationsstruktur eines Start-ups können wir uns natürlich nicht vergleichen. Aber ich denke, wir können davon lernen. Denn Unternehmen mit flacheren Hierarchien können viel schneller und flexibler auf neue Situationen reagieren, da Kommunikationswege verkürzt sind und Entscheidungen schneller getroffen werden können. Und gerade in Zeiten der Digitalisierung und disruptiver neuer Geschäftsmodelle sind diese Vorteile von unschätzbarem Wert und ein Weg in die Zukunft.

Fazit: Flache Hierarchien sind auch in großen Konzernen möglich, wenn nicht sogar notwendig. Denn in verschiedensten Bereichen birgt dieses Organisationsmodell Vorteile: für die Mitarbeiter, das ganze Unternehmen und auch für den Chef selbst.